Wir reden uns die Welt schön!
Im Duden werden Euphemismen als Wörter erklärt, die „anstößige oder unangenehme Wörter beschönigend, verhüllend und mildernd umschreiben sollen“.
Sie dienen also dazu unsere Wahrnehmung zu verändern und sie sind überall zu finden, von der Stellenausschreibung bis zum Arbeitszeugnis:
Euphemismen machen uns die Welt ein bisschen schöner, aber nicht authentischer. Meist geht es um einfache Makulatur, scheinbar wird heutzutage niemand mehr Hausmeister oder Reinigungskraft. Stellenausschreibungen zielen auf Facility Manager und Raumpfleger. Sekretärinnen werden zum Service Manager im Chief Executive Office, der Verfahrenstechniker für Mühlen- und Futterwirtschaft hübscht den Beruf des Müllers visitenkartengerecht auf. Auch der Werbekaufman kann sicherlich besser schlafen, wenn er sich als Kaufman für Marketingkommunikation verklausuliert. Gemeint ist das gleiche, nur die Verpackung ist schöner und hilft oft über Sachverhalte hinweg zu täuschen.
Die Schönfärberei macht auch vor dem alltäglichen Sprachgebrauch in der Arbeitswelt nicht halt, es scheint keine Firma oder Abteilung mehr mit Problemen klar kommen zu müssen, seitens der Führungsebene werden meist nur noch Herausforderungen und Themen diskutiert. Schließlich will scheinbar niemand mehr hören, dass Probleme auftreten, die es zu lösen gilt. Der negative Beigeschmack des Problems bleibt somit außen vor, der Ernst der Lage damit meistens auch.
Kommt es dann doch im Unternehmen zum Fall der Fälle, wird nicht mal mehr das beim Namen genannt. Wo früher einmal Entlassungen und Filialschließungen besprochen wurden, treten heute oft Freistellungsthemen und Neustrukturierung in den Mittelpunkt. Wurde dann eventuell die nicht vorhandene Wettbewerbsfähigkeit als Challenge im herausfordernden Umfeld umschmeichelt? Wer hier als Angestellter die Zweideutigkeit nicht erkennen kann, bekommt das böse Erwachen meist erst mit der Kündigung.
Leider machen die Euphemismen, jene beschönigenden Hüllwörter, auch vorm Arbeitszeugnis nicht halt. Bekommt man als Mitarbeiter Geselligkeit bescheinigt, kann man sich als verbriefte Tratsch Tante betrachten. Formulierungen wie „ er hat sich stets bemüht“ deuten auf einen gescheiterten Kollegen hin. Wer „mit größter Genauigkeit arbeitet“, gilt in der nicht beschönigten Realität vielleicht ein erbsenzählender Pedant.
Es gibt unzählige Ratgeber-Bücher und Internetseiten zum geschickten Formulieren. Denn letztendlich passt doch diese Schönfärberei zu einer Arbeitskultur, wo ständig Key Performance Indicators erfüllt werden müssen und diese Zielvorgaben natürlich von vielen, vielen Ebenen mit Hilfe von Controlling, nun ja, eben kontrolliert werden müssen. Wasserkopf werden die vielen Arbeitsbereiche mal ganz ungeschminkt genannt, die vor allem die Arbeit von anderen vermessen, beurteilen und letztendlich zum noch besser arbeiten drillen sollen.
Es lohnt sich also zwischen den Zeilen zu lesen, denn oft ist die Verpackung schöner als das, was tatsächlich verkauft wird. Ich finde, es wird Zeit mal wieder Tacheles zu reden!
Martin Ritzau, Produktionsmitarbeiter Schedl